Die Österreichische Gesellschaft für Notfallmedizin (AAEM) wurde mit dem Ziel gegründet, die Schaffung des Sonderfaches bzw. der Spezialisierung innerklinische Notfallmedizin in Österreich zu fördern, wie es EU-weit längst üblich ist. Die AAEM repräsentiert die Notfallabteilungen und die dort praktizierte innerklinische Notfallmedizin in Österreich.
Die AAEM wurde 2008 gegründet und vertritt Österreich in der UEMS (Union Européenne des Médecins Specialistes) – Sektion Notfallmedizin. Die AAEM ist auch National Society Member der European Society of Emergency Medicine (EUSEM).
Das klinische Sonderfach Notfallmedizin
In Österreich verpflichtet das Krankenanstaltengesetz zu einer rund um die Uhr verfügbaren kompetenten Erste-Hilfe Leistung für alle Notfallpatienten, die ein Spital aufsuchen. Zur Versorgung der Notfälle haben die Spitalserhalter Notfallambulanzen eingerichtet. Die Notfallambulanzen der verschiedenen klinischen Sonderfächer befinden sich entweder in den einzelnen Fachabteilungen (in Spitälern mit Pavillonbauweise) oder in einer zentralen Notfallambulanz (in Spitälern mit Zentralbauweise). Die Zahl der Patienten, die als Notfälle die Spitäler aufsuchen, ist ständig im Steigen. Diese Tatsache ist zum Teil durch Migranten bedingt, die, auf Grund der Situation in ihrer Heimat, bei Gesundheitsproblemen eher ein Spital als einen Arzt in der Ordination aufsuchen. Auch die Tatsachen, dass man dem Arbeitsplatz nicht fernbleiben will oder kann, und dass Ordinationen der niedergelassenen Ärzte nicht rund um Uhr Montag bis Sonntag offen halten können, zwingen die Patienten in die Notfallambulanzen der Spitäler.
Die Zuweisung der Notfallpatienten zu den Notfallambulanzen der verschiedenen klinischen Sonderfächer erfolgt durch die Patienten selbst, durch Begleitpersonen (Angehörige, Taxifahrer), durch nicht-medizinisches (z.B. Portier) oder durch medizinisches (diplomiertes Pflegepersonal, Rettungssanitäter, Notarzt) Personal. Bei falscher Zuweisung oder unklarem Beschwerdebild, welches die Einbindung anderer klinischer Sonderfächer erfordert (eine fachüberschreitende Tätigkeit ist auf Grund des Ärztegesetzes nicht erlaubt), wird der Patient an eine oder mehrere Notfallambulanzen der jeweiligen Sonderfächer weiter verwiesen. Dies führt einerseits zu Konflikten zwischen den klinischen Sonderfächern in der Frage der Zuständigkeit, und andererseits zu verlängerten Wartezeiten für den Patienten (z.B. Unterbauchschmerz: Internist, Chirurg, Gynäkologe, Urologe). Kleinere Häuser stehen vor dem Problem, dass der diensthabende Arzt rein fachlich nicht alle Notfallsituationen abdecken kann (z.B. Facharzt für Unfallchirurgie und Herzinfarkt). Aus diesem Dilemma erwachsen immer wieder berechtigte, medial ausgeschlachtete Beschwerdefälle.
Oft versehen meist erst kurz in der Ausbildung stehende ÄrztInnen Dienst in den Notfallambulanzen. Dies führt einerseits zu einer kostenintensiven breitgefächerten Absicherungsdiagnostik und andererseits wegen diagnostischer Unsicherheit vermehrt zu stationären Aufnahmen. Es wird geschätzt, dass bis zu 30% der stationären Patienten ambulant gemanagt werden könnten. Mit einem optimierten Notfallmanagement würden Ressourcen eingespart, Kapazitäten sinnvoller genützt und die Gangbetten-Problematik in vielen Spitälern entschärft werden. Spitäler mit zeitgemäßen Qualitätsansprüchen benötigen auch im Sinne eines modernen Risk-Managements entsprechende medizinische Versorgungs-Strukturen an der Eintritts-Schnittstelle.
Zur Lösung der hier angesprochenen Probleme bietet sich die Einführung des für Österreich neuen Sonderfaches „Notfallmedizin“ an. In den USA ist Emergency Medicine seit mehr als 25 Jahren ein eigenes Sonderfach, ebenso in Großbritannien und Australien. Auch in 19 von 27 EU-Staaten ist die Notfallmedizin ein eigenes klinisches Sonderfach.
Die Aufgabe der Notfallmedizin ist die Versorgung aller Notfallpatienten, die in ein Spital kommen, und damit die Erfüllung der an das Spital gestellten gesetzlichen Aufgabe der kompetenten Erste-Hilfe Leistung rund um die Uhr. Um diese Aufgabe erfüllen zu können, benötigen die NotfallmedizinerInnen eine entsprechende Ausbildung (Ausbildungscurriculum) und den Erwerb der Kompetenz zur bis dato nicht erlaubten fachübergreifenden ärztlichen Tätigkeit. Das Tätigkeitsprofil eines Facharztes für Notfallmedizin umfasst die Tätigkeiten des Arztes für Allgemeinmedizin, jedoch um wesentliche spezielle Kenntnisse der Notfallsituationen und Intensivmedizin erweitert wie: Stellung einer Notfalldiagnose, Einleitung einer entsprechenden Therapie und die Festlegung der weiteren Vorgangsweise, Stabilisierung von lebensbedrohlichen Zustandsbildern und intensivmedizinische Akuttherapie in einer Akutbehandlungsstation, sowie die Überwachung von potentiell lebensbedrohlichen Zustandsbildern.
Die Vorteile des klinischen Sonderfaches Notfallmedizin mit einer fachübergreifenden Notfallabteilung sind:
- Klare Zuständigkeit der NotfallmedizinerInnen mit umfassender Kompetenz für ALLE Notfälle die ins Krankenhaus kommen, damit Vermeidung von Fehl- und Mehrfachzuweisungen, und dadurch kürzere Behandlungszeiten für die Patienten.
- Potential zur Einsparung stationärer Aufnahmen: Eine kompetente Evaluierung durch ausgebildete NotfallmedizinerInnen mit auf die Notfallsituation beschränkter, klar definierter Diagnostik und Therapie kann Patienten filtern, welche mit einer ambulanten Behandlung primär versorgt, und dann durch weitere Evaluierung im niedergelassenen Bereich betreut werden können. Nur in Ausnahmefällen sollte die Beiziehung eines Konsiliararztes eines anderen Sonderfaches bzw. die Zuweisung an eine Spitalsambulanz notwendig werden. Die Daten der Klinik für Notfallmedizin aus dem AKH Wien belegen, dass rund 90% der Patienten der Notfallabteilung ambulant behandelt werden können.
- Optimierung der ärztlichen Ressourcen: Die Diensthabenden der verschiedenen Sonderfächer stehen nun ihrer Stammklinik ohne zeitliche Einschränkung zur Verfügung.
- Einsparung von Administration, Pflegepersonal und diagnostischen Maßnahmen. In einer großen fachübergreifenden Notfallabteilung können alle Patienten zentral administriert werden, die räumliche Zusammenlegung verschiedener Krankheitsbilder erlaubt die gemeinsame Nutzung von Pflegepersonal und diagnostischer Maßnahmen.
Die Einführung des klinischen Sonderfaches Notfallmedizin bedeutet für die anderen klinischen Sonderfächer KEINEN Verlust an spezifischen Akutfällen ihres Sonderfaches, sondern vielmehr eine fachliche Aufbereitung der Notfälle mit anschließend klarer Zuordnung zum entsprechenden Sonderfach (z. B. ischämischer Insult und Neurologie). Die NotfallmedizinerInnen versorgen alle Notfälle, die keiner fachlich hochkompetenten Betreuung auf dem Niveau einer Spezialambulanz bedürfen (z.B. Sonnenbrand, Insektenstich, Hexenschuss, Nasenbluten, Bagatelltrauma, usw.), und entlasten somit die KollegInnen der anderen Sonderfächer, die sich klar auf die spezifischen Akutfälle ihres eigenen Sonderfaches konzentrieren können.
Auf Grund dieser Überlegungen ist die Einführung des klinischen Sonderfachs Notfallmedizin für ÄrztInnen der Notfallabteilungen der Spitäler Österreichs anzustreben.
Fragen und Antworten um das Sonderfach Notfallmedizin
Was ist ein Notfallpatient?
Ein Notfallpatient ist ein Patient, bei dem im Rahmen einer akuten Erkrankung, einer Vergiftung oder eines Traumas lebensbedrohliche Störungen der vitalen Funktionen eingetreten sind, einzutreten drohen oder nicht sicher auszuschließen sind.
Was versteht man unter Notfallmedizin?
Die Notfallmedizin hat die kompetente unmittelbare medizinische Versorgung aller Notfallpatienten innerhalb und außerhalb des Krankenhauses sicherzustellen. Für die Situation im Krankenhaus (innerklinische Notfallmedizin) resultiert daraus die Kompetenz zur fachübergreifenden Tätigkeit und die volle Verantwortlichkeit für den Notfallpatienten. Für die notfallmedizinische Tätigkeit außerhalb des Krankenhauses bestehen erheblich erschwerte Bedingungen, eingeschränkte Möglichkeiten der Diagnostik und Therapie und eine eingeschränkte Verfügbarkeit von Geräten und Medikamenten. Die außerklinische Notfallmedizin wird derzeit in Österreich durch Notärzte abgedeckt (s.u.). Für die innerklinische Notfallmedizin gibt es derzeit keine klare Regelung.
Wie sieht die derzeitige rechtliche Situation in Österreich aus?
Die Verpflichtung zur Ersten Hilfe Leistung kommt jeder Krankenanstalt nach dem Krankenanstaltengesetz zu (z.B. Wiener KAG § 36 Abs.8). Personen, die im Rahmen der Erste Hilfe Leistung einer Aufnahme in Anstaltspflege nicht bedürfen, sind ambulant zu untersuchen oder zu behandeln (z.B.: Wiener KAG § 42 Abs. 1a). Über Ausmaß und Qualität der Ersten Hilfe Leistung finden sich im Gesetz keine Angaben. Jedenfalls hat sie aber nach den Regeln der ärztlichen Kunst und dem aktuellen Stand der Wissenschaft zu erfolgen.
Da sich die Notfallmedizin nicht auf einzelne klinische Sonderfächer beschränkt, ist eine fachübergreifende Tätigkeit erforderlich:
Für die innerklinische Notfallmedizin gilt diesbezüglich, dass Fachärzte ihre ärztliche Berufstätigkeit auf ihr Sonderfach zu beschränken haben, d.h. eine fachübergreifende Tätigkeit ist derzeit nicht möglich (Ärztegesetz § 31 Abs.3). Dies gilt nicht für Fachärzte für Anästhesiologie und Intensivmedizin, Innere Medizin, Chirurgie und Unfallchirurgie, sofern diese auf Grund krankenanstaltenrechtlicher Organisationsvorschriften im Rahmen sofortiger notfallmedizinischer Versorgung tätig werden. Von dieser Möglichkeit machen derzeit nur kleine Häuser Gebrauch, die damit Nachtdiensträder einsparen können.
Für die außerklinische Notfallmedizin gilt, dass Allgemeinmediziner und Fachärzte, die eine Notarztausbildung gem § 40 Ärztegesetz abgeschlossen haben, in organisierten Notarztdiensten fächerüberschreitend tätig werden dürfen (Ärztegesetz § 31, Abs.3; Zi. 2).
Bewertung: Die derzeitige rechtliche Situation ist unbefriedigend, weil für die innerklinischen Notfallpatienten die Fragen der fachübergreifenden ärztlichen Tätigkeit und die Qualität der Ersten Hilfe Leistung nicht festgelegt sind. Für den außerklinischen Notfallbereich kann heute mit dem § 40 des Ärztegesetzes die Notfallversorgung als rechtlich geregelt angesehen werden. Für den innerklinischen Notfallbetrieb, der eine umfassende Notfallausbildung erfordert, ist der § 40 ÄG nicht anwendbar. Daraus ergibt sich als einzig logische Konsequenz die Einführung des Facharztes für Notfallmedizin für die innerklinische Notfallpatientenversorgung.
Gibt es schon das Sonderfach Notfallmedizin?
Der Facharzt für Notfallmedizin ist in folgenden EU Ländern etabliert:
Belgien, Bulgarien, Dänemark, Estland, Finland, Irland, Italien, Kroatien, Lettland, Litauen, Luxemburg, Malta, Polen, Rumänien, Slowakei, Slowenien, Spanien, Tschechische Republik, Ungarn (19 von 27 EU-Staaten). In Deutschland, Niederlanden und Griechenland ist Notfallmedizin eine Zusatzausbildung (Spezialisierung).
Nicht-EU: Großbritannien, Australien, USA seit 1979 (mehr als 25 Jahren)
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Welche Aufgaben hat das klinische Sonderfach Notfallmedizin?
Kompetente unmittelbare medizinische Versorgung aller Notfallpatienten innerhalb des Krankenhauses mit der daraus resultierenden Verantwortlichkeit.
Warum Errichtung des klinischen Sonderfaches Notfallmedizin?
Alle Notfällpatienten, die ins Krankenhaus kommen, sollen eine kompetente unmittelbare Versorgung erhalten. NotfallmedizinerInnen haben umfassende Kenntinisse aller Notfallsituationen, wodurch Fehl- und Mehrfachzuweisungen vermieden und kürzere Behandlungszeiten erzielt werden können.
Eine kompetente Evaluierung durch ausgebildete NotfallmedizinerInnen mit auf die Notfallsituation beschränkter, klar definierter Diagnostik und Therapie kann Patienten filtern, welche mit einer ambulanten Behandlung primär versorgt, und dann durch weitere Evaluierung im niedergelassenen Bereich betreut werden können. Nur in spezillen Situationen sollte die Beiziehung eines Spezialisten eines anderen Sonderfaches bzw. die Zuweisung an eine Spitalsambulanz notwendig werden. Die Daten der Klinik für Notfallmedizin aus dem AKH Wien belegen, dass rund 90% der Patienten der Notfallambulanzen ambulant behandelt werden können.
Durch Wegfall der Journaldienste der jeweiligen Sonderfächer an der fachspezifischen Notfallambulanz können personelle Ressourcen eingespart werden. Die Diensthabenden der verschiedenen Sonderfächer stehen nun ihrer Stammklinik ohne zeitliche Einschränkung zur Verfügung.
In einer großen fachübergreifenden Notfallabteilung können alle Patienten zentral administriert werden, die räumliche Zusammenlegung verschiedener Krankheitsbilder erlaubt die gemeinsame Nutzung von Pflegepersonal und diagnostischer Maßnahmen. Dies führt zur Einsparung von Administration, Pflegepersonal und diagnostischen Maßnahmen.
Werden die anderen Fächer durch die Einführung des Fachs Notfallmedizin arbeitslos?
Die Einführung des klinischen Sonderfaches Notfallmedizin bedeutet für die anderen klinischen Sonderfächer KEINEN Verlust an spezifischen Akutfällen ihres Sonderfaches, sondern vielmehr eine fachliche Aufbereitung der Notfälle mit anschließend klarer Zuordnung zum entsprechenden Sonderfach (z. B. ischämischer Insult und Neurologie). Die NotfallmedizinerInnen versorgen alle Notfälle, die keiner fachlich hochkompetenten Betreuung auf dem Niveau einer Spezialambulanz bedürfen (z.B. Sonnenbrand, Insektenstich, Hexenschuss, Nasenbluten, Bagatelltrauma, usw.), und entlasten somit die KollegInnen der anderen Sonderfächer, die sich klar auf die spezifischen Akutfälle ihres eigenen Sonderfaches konzentrieren können.
Wann enden die Kompetenz und Verantwortlichkeit des Notfallmediziners?
NotfallmedizinerInnen haben ihre ärztliche Tätigkeit auf ihr Sonderfach zu beschränken. Der Inhalt der Ausbildung des Sonderfaches „Emergency Medicine“ in den USA ist im Study Guide “Emergency Medicine“ von Judith E. Tintinalli definiert. Für Österreich wird eine landesspezifische Ausbildungsverordnung erlassen. Für die einzelnen Notfallsituationen werden entsprechende Behandlungs- und Therapiepfade definiert. Erfordert die Akutsituation eine höhere fachliche Kompetenz, so sind die Spezialisten der jeweiligen klinischen Sonderfächer beizuziehen. Die Verantwortung der NotfallmedizinerInnen liegt somit innerhalb der fachlich definierten Grenzen und Ausbildungsinhalte.